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Zweimal „Lobgesang“ in der Schlosskirche

Mendelssohn Lobgesang
Datum:
31. Juli 2025

„Zum Klang wird hier der Raum....“

 

…. dieses abgewandelte Gurnemanz – Zitat aus dem „Parsifal“ („Zum Raum wird hier die Zeit...“) beschreibt das Konzerterlebnis, das dem zahlreich erschienenen Publikum am Samstag und Sonntag in der Schlosskirche geboten wurde, am zutreffendsten!

Ein fulminanter Lobpreis Gottes gelang dem „Jungen Vokalensemble“ zusammen mit dem Soproner Franz-Liszt-Orchester und den Gesangssolisten Johanna Ihrig (Sopran), Yuka Koroyasu (Sopran) und Thomas Kiechle (Tenor) unter dem kompetenten Dirigat von Regionalkantor Sebastian Ruf.

 

Das Konzert begann mit einer für die meisten Zuhörer unbekannten Komposition, der Kantate „Lobgesang – Meine Seele ist stille“, welche Fanny Hensel zum ersten Geburtstag ihres Sohnes Sebastian komponierte. Das Werk erscheint in seinem Aufbau wie eine Hommage an J.S. Bach, übersetzt in romantische Klangsprache. Schon die instrumentale Einleitung „Introduzione Pastorale“ lässt aufhorchen, erinnert sie doch an die Sinfonia aus der zweiten Kantate von J.S. Bachs Weihnachtoratorium. Wobei der wiegende Rhythmus gleichzeitig den Eindruck erweckt, als würde eine Mutter ihr Kind in den Schlaf wiegen, ein Eindruck, der durch das geradezu beseelte Spiel der ungarischen Musiker noch verstärkt wurde.

Ganz anders der festliche Charakter des ersten großen Chores: Begleitet von drei Trompeten und Pauken, - wird hier der Lobpreis der Dreifaltigkeit betont, der von den Sängerinnen und Sängern so glaubhaft interpretiert wird, dass man sich einfach nur zurücklehnen und freuen kann über diese jungen Stimmen und ihre Sangeslust! Für die Texte wandelte Fanny Hensel Auszüge aus dem 62. Psalm, Johannes 16,21, dem Hohe Lied Salomos (8,6) und dem „Loblied“ von Johann Metzner ab. Im Zentrum stehen Dankbarkeit und Freude der Mutter nach ihrer Not bei der Geburt: ein wohl einzigartiges Thema für eine geistliche Kantate, zumal die Mutter in der zentralen Sopran-Arie „O dass ich tausend Zungen hätte“ selbst spricht. Und Johanna Ihrigs strahlender, mühelos den Raum füllender Sopran jubilierte und ließ diese Freude spürbar werden.

Anders als in einer Bachkantate üblich, schließt die Komponistin ihren „Lobgesang“ mit einer großen Choralfuge, die gleichzeitig den Höhepunkt der Kantate bildet und in ihrer Komplexität vom Chor mühelos bewältigt wird, nicht zuletzt aufgrund des präzisen Dirigats und der zu den jeweiligen Teilen absolut passend gewählten Tempi für eine Komposition, die Sebastian Ruf erfreulicherweise aus ihrem Schattendasein befreit hat. So mancher Zuhörer fragte sich am Schluss, warum sie diese Musik noch nie zu hören bekamen. Aber das ist eine eigene Geschichte.

 

In der zweiten Konzerthälfte erklang Felix Mendelssohns jubelnde „Lobgesang“ - Sinfonie, eine Auftragsarbeit anlässlich der 400-Jahr-Feier zur Erfindung der Buchdruckerkunst in Leipzig. Die triumphale Uraufführung fand am 25. Juni 1840 in der Thomaskirche in Leipzig statt - mit 500 Ausführenden vor 2000 Zuhörern.

Diese Dimension erreichte die Aufführung in der Schlosskirche natürlich nicht, aber stimmgewaltig klang das Junge Vokalensemble mit seinen 60 Sänger:innen und den 50 Instrumentalisten des Franz-Liszt-Orchesters dennoch.

Für Mendelssohn selbst war der „Lobgesang“ in erster Linie eine Sinfonie. Und die war beim Franz-Liszt-Orchester unter der umsichtigen Leitung Sebastian Rufs in besten Händen. Exzellent besetzt in allen Stimmgruppen, agierte das Orchester äußerst differenziert, voller Spielfreude und transparent im Klang und setzte das um, was Mendelssohn einem Freund anvertraute: „Du verstehst schon, dass erst die Instrumente in ihrer Art loben, und dann der Chor und die einzelnen Stimmen“.

Das vokale und instrumentale Stimmen verbindende Motto des gemeinsamen Lobpreises ist das musikalische Motiv zum Text „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“. So stehen die instrumentalen Sätze und der Kantatenteil nicht unverbunden nebeneinander, sondern sind durch die Verarbeitung der musikalischen Themen miteinander verknüpft. Das kraftvolle Eingangsmotiv erschließt sich dem Hörer erst, als es später den Kantatenteil auf den Text „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“ einrahmt und damit dem Werk seinen Titel gibt.

Auch im zweiten Satz sind Anklänge daran im fiktiven Choral der Bläser zu vernehmen, der zur ansonsten vorherrschenden wehmütigen Stimmung einen starken Kontrast bildet.

Besonders anrührend gelang das „Andante religioso“, hinter dem sich ein Variationssatz verbirgt, der in seiner schlichten Innigkeit wie ein Gebet wirkt.

Den unbestrittenen Höhepunkt des Konzerts bildet der Kantatensatz. Unglaublich spannend, geradezu gefährlich klingt es, wenn nach der einleitenden „Sinfonia“ die Posaunen im Rhythmus eines Herzschlags den vierten Satz beginnen, die Hörner antworten und schließlich der Chor machtvoll sein „Alles, was Odem hat“ in den Raum schleudert. Mit dem jubilierenden „Lobe den Herrn, meine Seele“ setzte Johanna Ihrig mit ihrem fast metallisch klingenden Sopran einen Glanzpunkt im Duett mit den glasklaren, glockenhellen Chor-Sopranen. Eindringlich und wunderbar homogen erklang die Aufforderung „Sagt es, die ihr erlöset seid“, die einen ersten Ruhepunkt nach dem gewaltigen Eingangschor bildete. Vielen Zuhörern wird wohl auch das Duett „Ich harrete des Herrn“ in Erinnerung bleiben, das in der Interpretation Yuka Koroyasus mit ihrerm makellos geführten Sopran und Johanna Ihrigs kraftvoller Stimme ein vokales Glanzlicht setzte.

Eine nahezu ideale Besetzung der Tenorpartie ist Thomas Kiechle. Wenn er in düsterem c-moll verkündet: „Stricke des Todes halten uns umfangen“, um danach die bange Frage zu stellen. „Hüter, ist die Nacht bald hin?“ erzeugt er eine ungeheure Spannung, die sich erst auflöst, als die Sopranistin in strahlendem C-Dur den Triumph des Lichts über die Dunkelheit verkündet und der Chor jubelnd einstimmt: “Die Nacht ist vergangen“ . Als Dank für die Erlösung aus Tod und Finsternis erklingt der zunächst a-cappella vorgetragene Choral „Nun danket alle Gott“, den der Chor so eindrucksvoll gestaltete, dass man im Publikum die sprichwörtliche „Stecknadel fallen“ hörte, und manch einem kamen die Tränen.

Nach einem von Johanna Ihrig und Thomas Kiechle wunderschön gesungenen Duett stimmte der Chor noch einmal voller Macht und Pracht den Schlusschor an, mit dem Mendelssohn einen wirkungsvollen Bogen zum instrumentalen Beginn des „Lobgesangs“ schlägt: „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!“ Chor, Orchester und Orgel (souverän gespielt von Christoph Krückl) ließen die Zuhörer in ein regelrechtes Klangbad eintauchen. Sekundenlang schien der letzte Akkord im Raum zu stehen, bevor minutenlanger Applaus losbrach für dieses Konzert, mit dem der künstlerische Leiter Sebastian Ruf die Besucher beschenkte und das in vielen noch lange nachhallte.

Rosi Ertl