Junges Vokalensemble glänzt mit Bernstein, Lewandowski und Mendelssohn
Eindrucksvolles Klangerlebnis beim Psalmenkonzert
Ganz leise war es in der Schlosskirche Bayreuth, als der letzte Ton des Psalmenkonzertes am Samstag, den 11. Juni in der Schlosskirche Bayreuth verklungen war. Dann applaudierten die über 150 Zuhörer:innen sichtlich bewegt und lang anhaltend dem Chor und den Solisten unter Leitung von Regionalkantor Sebastian Ruf. Der erstaunte Blick auf die Uhr: eineinhalb Stunden waren nahezu verflogen, als man den Heimweg antrat.
Aber jetzt alles auf Anfang: Den Auftakt des Konzerts bildete die Chorvertonung zu Psalm 103 „Preise, meine Seele, den Ewigen“ von Louis Lewandowski – ein Komponist, von dem viele vielleicht das erste Mal hörten. Er war Reformer einer neuen jüdischen Liturgie: So war es nahezu eine Provokation, Stilbruch und etwas ganz Neues, hebräische Psalmen in deutscher Sprache mit gemischtem Chor und Orgel in Synagogen aufzuführen. Und sollten Sie wieder einmal Berlin besuchen, wandeln Sie in der Oranienburger Straße auf den Spuren Lewandowskis zur Synagoge – denn dort wirkte er als Chorleiter. Im weiteren Konzertverlauf sang das Junge Vokalensemble eine seiner weiteren Psalmenvertonungen: „Wie lieblich sind deine Wohnungen“ (Psalm 84). Und die Zuhörer:innen ahnten bei dem innigen Gesang, dass hier der Chor einen neuen Lieblingskomponisten für sich entdeckt hatte.
Es folgten drei „Folk Songs“ von Benjamin Britten mit der Harfenistin Clara Simarro und der Sopranistin Clara Mora. Dabei gelang es auf wunderbare Weise, Brittens Intention des gemeinsamen, gleichberechtigten Musizierens von Harfe und Gesang allen Zuhörenden zu vermitteln. Temperamentvoll, empfindsam, sensibel brachten die Künstlerinnen mit „I wonder as I wander“, „Dear Harp of my country“ und „The last rose of summer“ eine greifbare folkloristische Atmosphäre in die Schlosskirche. Daran anschließend begeisterte die Clara Simarro bei Louis Spohrs „Fantasie in c-Moll“ mit ihrer virtuosen Kunst auf der Harfe.
Dass das Junge Vokalensemble in kürzester Zeit zu einer harmonischen Einheit unter der Führung von Sebastian Ruf zusammengewachsen ist, stellte es mit der Vertonung von Psalm 42 „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser“ eindringlich unter Beweis. Bewegend, intensiv und mit großer Kraft und Ruhe wechselten sich Frauen- und Männerstimmen im Dialog mit dem Sopran ab. Hier zeigt sich die Qualität und Sensibilität des Chores: Man musiziert gemeinsam, mit Leidenschaft, hohem Anspruch und Begeisterung, hört genau aufeinander – und so verschmelzen die wunderschönen, jungen Stimmen zu einer Einheit und einem begeisternden Klangerlebnis.
Zusammenspiel zwischen Orgel, Harfe, Sopran und Schlagwerk
Und wieder ein echter „Cut“, der den Zuhörer:innen schon Flexibilität abverlangte: Auftritt der Organistin Deborah Hödtke und des Perkussionisten Bernd Kremling – mit zwei Sätzen aus „Suite de Danses“ für Orgel und Schlagwerk von Pierre Cocherau. Beide sind gute Bekannte in Bayreuth: Deborah Hödtke gastierte bereits bei den Orgelmatineen zur Festspielzeit 2021 und Bernd Kremling ist seit Jahrzehnten fester Bestandteil des Konzertlebens an der Schlosskirche. Mit „Tambourin“ und „Gigue“ stellten beide fulminant unter Beweis, wie sich Orgel und Schlagwerk gegenseitig ergänzen, beflügeln und ein ganz neues Musikerlebnis erschaffen können.
Und auch Stimme und Schlagwerk erzeugen eine intensive meditative Atmosphäre – so rezitierte Sebastian Ruf die Psalmen „Jauchzet dem Herrn alle Lande“ (Psalm 100), „Der Herr ist mein Hirte“ (Psalm 23) und „Warum toben die Heiden“ (Psalm 2), die Bernd Kremling mit unterschiedlichen Schlagwerken verbildlichte: Jauchzen, Frohlocken, Wahrheit, Güte, Gnade, Ewigkeit – es gelingt Bernd Kremling scheinbar mühelos, mit seinem Instrumentarium die ohnehin kraftvollen Worte eindrucksvoll zu intensivieren und Bilder entstehen zu lassen.
Leonard Bernstein: Chichester Psalms
Darauf hatten viele besonders gewartet: Leonard Bernsteins „Chichester Psalms“ – und sie wurden nicht enttäuscht: Das Werk in drei Sätzen begann einem Paukenschlag gleich mit der Vertonung von „Jauchzet dem Herrn alle Lande“ – energiegeladen, dissonant, mächtig mit einem Leitmotiv im Sopran und im Alt. Dann schlossen sich swingend-jazzige Passagen mit rhythmischen Variationen an. Der Weckruf des Anfangs wurde am Ende wieder aufgegriffen. Der zweite Satz „Der Herr ist mein Hirte“ beginnt ruhig und wie im Kanon. Die zurückhaltende Instrumentierung erzeugt eine zarte Stimmung der Zuversicht. Dann wendet sich „schlagartig“ das Blatt durch die donnernden Schläge der Trommel und den Einsatz der Männerstimmen, die grollend „Warum toben die Heiden?“ intonieren. Der einsetzende Sopran erzeugt wiederum einen Stimmungswechsel und verdrängt die bedrückende Atmosphäre. Doch der Ausgang des Satzes ist nicht eindeutig friedlich, noch einmal ertönt das Motiv aus dem bedrohlichen Mittelteil durch die Orgel und das Schlagwerk.
Der Chor trägt die Botschaft auch bis in den hintersten Winkel der Schlosskirche: Der Mensch und sein ewiger Konflikt zwischen sündhafter Auflehnung und zuversichtlichem Glauben. Mit dem fließenden Chorgesang zu „Herr, mein Herz ist nicht hochmütig“ und dem Hauptmotiv der Einleitung schließt der dritte Satz mit dem himmlischen „Amen“ a cappella! Das Junge Vokalensemble meisterte eindrucksvoll das rhythmisch und melodisch äußerst komplexe Werk. Die gut ausbalancierten Stimmgruppen beherrschten die hebräischen Texte scheinbar mühelos. Im „Jungen Vokalensemble“ haben sich unter der Federführung von Regionalkantor Sebastian Ruf ambitionierte junge Frauen und Männer zusammengefunden, die sicher noch mit weiteren Aufführungen für viel Begeisterung bei allen Zuhörenden sorgen werden.
Und wir dürfen gespannt sein, wohin „die Reise geht“ – das Ensemble besteht schließlich erst seit September 2021. Überraschend, wie eingespielt und professionell die Werke mit Leichtigkeit und Sicherheit zur Aufführung kommen. Wir freuen uns jetzt schon auf die nächsten Projekte des „Jungen Vokalensembles“. Der langanhaltende Beifall des Publikums wertschätzte die Leistung von Solist:innen und Chor sowie dieses eindrückliche musikalische Erlebnis.
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Anke Kerner